Und sie stellten dort Nachbildungen der Gefangenen – ihr
Übermut wurde mit verdienter Schmach bestraft – in ausländischer
Tracht auf, die das Dach trugen, damit die Feinde aus Furcht vor
dem Erfolg ihrer Tapferkeit sich einsetzten und die Bürger
beim Anblick dieses Wahrzeichens der Tapferkeit, aufgerichtet
durch den Ruhm, zur Verteidigung der Freiheit bereit wären.
Und so haben viele seitdem Perserstatuen aufgestellt, die Gebälk
und dessen Schmuck tragen, und sie haben so aus diesem geschichtlichen
Stoff in erhöhtem Maße ihren Werken hervorragende Abwechslung
verliehen.
Ebenso gibt es andere geschichtliche Begebenheiten
gleicher Art, die die Architekten im Kopfe haben müssen."

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Die fraglos schöne Erklärung,
die Vitruv uns hier gibt, hat insofern einen kleinen Fehler,
als die Karyatiden vom Schatzhaus der Siphnier in Delphi bereits
vor den Perserkriegen entstanden sind. Für die weitaus
bekannteren Karyatiden am Erechtheion in Athen ist Vitruvs Deutung
jedoch durchaus schlüssig.
Quelle: Vitruv, Zehn Bücher
über Architektur. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen
von Dr. Curt Fensterbusch, Wissen-schaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 1964.
Die Beschreibung findet sich
im ersten Buch, Kapitel I, Die Ausbildung des Baumeisters.
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